In einem vorherigen Beitrag beschrieb ich bereits das Lügengebäude der Neoliberalen, wie die Digitalisierung mehr Erwerbsarbeitsplätze schaffen soll, als sie vernichten wird.
Dies ist jedoch nur eine der vielen Unwahrheiten der Wirtschaftsliberalen.
So manipulieren uns die Wirtschaftsliberalen.
Eine andere noch ungeheuerlichere Lüge ist die Behauptung, dass die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens aus dem Wunsch der Armen heraus entstanden ist, sich auf Kosten der Reichen das Leben zu erleichtern. Diese Reichen sollen für die ständigen Anpassungen bezahlen. Und wenn die Reichen besteuert werden, um ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren, macht das laut Aussage der Wirtschaftsliberalen nicht nur die Armen faul und raubt den Reichen die Motivation, es hemmt angeblich auch die Dynamik der Volkswirtschaft.
So ähnlich argumentierten diese Kreise schon gegen andere Instrumente des Sozialstaats. Gegen die Arbeitslosenversicherung ebenso, wie gegen ein funktionierendes Gesundheitswesen.
Nur durch Angst vor sozialem Abstieg, vor Krankheit und Zukunftslosigkeit kann eine gesunde Volkswirtschaft immer stärker werden, behaupten neoliberale Kreise.
Diese Angst und Gängelung nennen sie dann Marktrealitäten. Und wer sich diesen Realitäten nicht aufopfernd anpassen müsse, weil er zum Beispiel durch den Staat abgesichert ist, braucht sich auch nicht verändern und kann dem Schlendrian verfallen. Die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fänden sich nicht mehr bereit, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, ließen ihre Selbstoptimierung zurück und nähmen auch keine längeren Wege mehr in Kauf. Überstunden und Wochenendarbeit wären gar nicht mehr möglich.
Was für eine fast schon kriminelle Bande, die diese Lügen verbreitet! Und was für eine Dreistigkeit zu erwarten, dass wir diesen Lügen Glauben schenken!
Freiheit und Sicherheit der Einzelnen sind Garanten für ein gesundes Ganzes.
Die Wirklichkeit ist eine ganz andere. Ein Staat mit einem gut strukturierten Sozial- und Gerechtigkeitssystem bewirkt, dass die Menschen bereit sind, in ihren Jobs Risiken einzugehen und sich auch für Veränderungen zu öffnen. Dies sieht man allein im Vergleich der USA mit Europa. Die Europäer in den meisten Ländern der EU wissen, dass sie sich aufgrund staatlicher Absicherung weiterbilden und umschulen können, ohne dabei ins Bodenlose zu fallen. Nicht so in Amerika. Wer hier mit dem Gedanken spielt, sich beruflich zu verändern, muss vorher hohe Rücklagen geschaffen haben. Nur sehr wenige wagen es, an einer Weiterbildung oder Umschulung teilzunehmen. Das war der Grund, warum sich viele europäische Staaten wie Schweden, Norwegen, Finnland aber auch Deutschland so gut gegen den Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft in neunziger Jahren behaupten konnten. Und das ohne die großen Anstrengungen und den Protektionismus, wie sie die USA betrieben haben.
Sicherheit macht denen Angst, die auf Verunsicherung bauen.
Die Sicherheit ihrer Bürger ist für ein neoliberales System ein heißes Eisen. Die Verfechter eines freien Marktes mit möglichst wenig Freiheit der Erwerbstätigen sind der Meinung, dass jede Arbeitsmarktregulierung, die Entlassungen erschwert und wenig Möglichkeiten zur Nötigung bietet, der Volkswirtschaft Effizienz und Dynamik raubt. Und ohne Nötigung sagen die Neoliberalen, wären auch die Steuereinnahmen niemals sicher. Dies sind ihre größten Bedenken, wenn es um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens geht.
So ein bedingungsloses Grundeinkommen schwäche den Anreiz für harte Arbeit. Des Weiteren soll angeblich so ein Grundeinkommen die Schaffung von Wohlstand bremsen, weil Arbeitgeber nur noch zögerlich neue Leute einstellten. Einfach aus der Angst heraus, diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten sofort kündigen, wenn die Arbeit einmal zu belastend wäre. Oder die Bewerber:innen auf einen angebotenen Arbeitsplatz stellten von vornherein zu hohe Forderungen.
Angesichts dessen sei ein Sozialstaat und vor allem einer, in dem das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wurde, automatisch weniger dynamisch.
So ähnlich argumentierte zum Beispiel die britische Wirtschaft in den siebziger Jahren, als sie – mit Margret Thatcher als Speerspitze – gegen die Gewerkschaften und den Wohlfahrtstaat insgesamt anging.
Wirtschaftsliberale verschwenden Potenziale.
Tatsächlich führte dieses Vorgehen zu einer Falschverteilung beruflicher Fähigkeiten und reduzierte ganz im Gegenteil die volkswirtschaftliche Effizienz und Dynamik.
Große Unsicherheit kann dazu führen, dass Beschäftigte härter arbeiten, immer mehr Überstunden leisten und sogar auf ihren Urlaub verzichten. Unsicherheit drängt Menschen grundsätzlich in die falschen Jobs. Wie viele begabte Menschen hätten brillante Ingenieure, Wissenschaftler und wichtige Ideengeber werden können, wenn sie nicht ihre Zeit zuerst am Band und dann als Geringverdiener in einem Callcenter verschwendet hätten? Wie viele Innovationen sind uns schon verloren gegangen, weil wir den wirtschaftsliberalen Predigten zu viel Wert beimaßen?
Wie viele Menschen könnten heute in „Sonnenaufgangs-Industrien“ wie der Wind- und Solarenergie arbeiten, sitzen ihre Zeit aber in „Sonnenuntergangs-Industrien“ wie der Automobilbranche ab?
Und wie viele Menschen machen das zu einem so geringen Lohn, dass sie kaum Steuern zahlen müssen oder können?
Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine logische Konsequenz.
Aus diesen Beispielen lässt sich nur ein Schluss ziehen: Wenn wir Menschen wissen, dass wir eine zweite, dritte oder sogar vierte Chance erhalten und ergreifen können, nehmen wir Risiken bei der Berufswahl oder bei der Aufgabe unseres momentanen Jobs wesentlich leichter in Kauf.
Wem diese Logik seltsam erscheint, muss sich nur einmal das Insolvenzrecht anschauen, dessen Logik kaum noch von jemandem angezweifelt wird.
Denn dieses Insolvenzrecht gibt allen Unternehmern das Recht auf eine zweite, dritte oder sogar vierte Chance. Sonst wären Umstrukturierungen, Neuorientierungen und Innovationen auf dem globalen Markt kaum denkbar oder zumindest so risikobehaftet, dass kaum ein Management dieses Risiko eingehen würde. Selbst die Gründung eines Unternehmens wäre eine äußerst riskante Angelegenheit.
Darum fordern wir ein bedingungsloses Grundeinkommen!
Wenn der Staat mit einem bedingungslosen Grundeinkommen allen Menschen weitere Chancen einräumt, kann man also sagen, dass er wie ein Insolvenzrecht auf sie wirkt. In der gleichen Weise, wie das Insolvenzrecht auf Unternehmerseite die Risikofreude und den Erfindergeist steigert, fördert der sozial absichernde Staat die Bereitschaft der Erwerbstätigen sich für Veränderungen und die damit verbundenen Risiken zu öffnen. Das gilt ebenso für die freiberuflich Tätigen.
Weil die Menschen wissen, dass sie viele Chancen erhalten und weder ihre Existenz noch ihre Teilhabe gefährdet ist, können sie kühnere Entscheidungen treffen und sind später eher bereit, ihren Job zu wechseln.