Uwe Bjorck/ April 27, 2021/ Blog

Oft begegnen wir der Binsenweisheit, man könne nur das Geld ausgeben, das man auch eingenommen hat. Und wie jeder Binsenweisheit wird auch dieser sehr schnell zugestimmt. Man kennt es ja von seinem privaten Haushalt. Wer über seine Verhältnisse lebt, geht pleite oder muss sich durch massive Einschränkungen retten. Was aber schon auf den privaten Haushalt nur bedingt zutrifft, kann auf einen Staatshaushalt gar nicht angewandt werden. Binsenweisheiten kann es eben nur dann geben, wenn vorher die Weisheit in die Binsen gegangen ist.

Ein Staat mit seiner eigenen Währung kann nicht pleitegehen.
Staaten wird das Geld von einer von ihm selbst geschaffenen Institution, der Zentralbank, in der benötigten Menge und im notwendigen Verhältnis zur Verfügung gestellt. Solche Staaten sind zum Beispiel Großbritannien, Japan, Australien, Kanada oder die USA.
Aber wie kann das angehen? Aus welchen Topf holen die Zentralbanken wie die FED, Bank of Japan oder früher auch die Bundesbank in Deutschland dieses Geld? Das ist ganz einfach. Sie schreiben das Geld dem Konto des Staates durch einen Computereintrag gut. Das ist alles. Das Geld fällt zwar nicht wie durch ein Wunder vom Himmel, aber es wurde ganz bewusst „aus dem Nichts“ geschaffen.

Das Geld wird aus dem Nichts geschaffen.
Wie aber kann das Geld aus dem Nichts geschaffen werden? Uns muss klar sein: Geld ist kein Ding und es repräsentiert auch kein anderes Ding, wie zum Beispiel Gold. Geld ist ein Regelsystem, das der Staat eingeführt hat und kontrolliert, um für sich selbst an Waren und Dienstleistungen zu kommen und damit die Bürgerinnen und Bürger des Staates untereinander Handel betreiben können.
Der Staat bringt sein Geld in Umlauf, indem er die Zentralbank anweist, seine Rechnungen, zum Beispiel für den Bau von Straßen oder auch für soziale Aufwendungen, zu begleichen. So gelangt das Geld auf das Zentralbankkonto für Straßenbau oder Soziales. Dieses Geld wird dann den Firmenkonten oder Girokonten auf den Hausbanken überwiesen. Der Straßenbauunternehmer sowie der Empfänger sozialer Hilfen kann nun damit beim Bäcker Brot kaufen.

Bürgerinnen und Bürger brauchen das Geld für ihre Steuerschuld.
Wir alle akzeptieren dieses Geld, da wir wissen, dass der Staat von uns verlangt, dass wir mit diesem Geld unsere Steuern bezahlen. Wir brauchen also dieses Staatsgeld, um unserer Steuerpflicht nachzukommen. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob wir dieses Geld erarbeitet haben oder nicht. Dieses Geld benötigt keine weitere Gegenleistung als die, im Umlauf zu bleiben. Ob durch Konsum, Finanzierungen oder Verzinsungen. Immer spielt die Steuer eine große Rolle, das Geld im Kreislauf zu halten.

Steuern sind keine Finanzierungsquelle.
Ein souveräner Staat hat nur eine Finanzierungsquelle: das ist das von seiner Zentralbank auf seinem Konto per Computereintrag zur Verfügung gestellte Geld. Das widerspricht allen üblichen Meinungen, die auch Steuern und die Ausgabe von Staatsanleihen als Finanzierungsmittel des Staates aufführen.

Steuern können keine Finanzierungsquelle sein. Der Staat muss den Bürgerinnen und Bürgern erst das Geld zur Verfügung gestellt haben, damit diese ihre Steuern bezahlen können. Das Geld fällt eben nicht vom Himmel direkt in die Hände der Menschen, damit sie es dem Staat geben können. Aber auch der Staat verschenkt sein Geld nicht an die Bürger. Er kauft bei ihnen ein. Dabei kauft er nicht nur materielle Dinge. Die Handelswaren sind Arbeitskraft, Unternehmertum, Mobilität, Wohnen, Kunst, Versorgung, Geburt, Tod, Leben. Erst durch diesen Handel sind die Bürgerinnen und Bürger in der Lage ihre Steuern zu zahlen und der Staat, dieses Geld im Umlauf zu halten. Da wird nichts mehr und nichts weniger. Mit Steuern schöpft der Staat dann z. B. zur Inflationsvermeidung Geld ab oder verteilt es zwischen sozialen Gruppen oder Regionen um. Durch Lenkungs-Steuern motiviert er die Menschen zu einem bestimmten Verhalten.

Auch Staatsanleihen finanzieren nichts.
Auch Staatsanleihen können keine Finanzierungsquelle sein. Wie bei den Steuern handelt es sich hier um Geld, das ohnehin schon rechnerisch vorhanden ist. Banken können dem Staat nur das Geld leihen, dass sie vorher von ihm bekommen haben. Sei es durch das Begleichen von Rechnungen, wie bei dem Beispiel Straßenbau, oder durch Anleihen bei der Zentralbank.
Staatsanleihen können dann der Zinsregulierung oder anderen Zwecken dienen, nicht aber der Finanzierung eines souveränen Staates.
Staatsanleihen werden an Finanzmärkten gehandelt. Als letztmögliche Käuferin kann immer die Zentralbank auftreten. Deswegen ist auch die Behauptung falsch, dass die Chinesen als Anleihenbesitzer die USA in der Hand haben. Denn im Zweifelsfall kann die FED diese Anleihen den Chinesen wieder abkaufen.
Wenn die Zentralbank dem Staat Geld „aus dem Nichts“ auf seinem Konto gutschreibt, dann ist der Staat bei der Zentralbank um diesen Betrag verschuldet. Da aber die Zentralbank seine eigene staatliche Institution ist, ist er also bei sich selbst verschuldet. Schuldner und Gläubiger sind hier eins. Ausgaben des Staates erhöhen den Schuldenstand, Einnahmen (Steuern) reduzieren ihn.

Der Schuldenstand ist nicht mehr als ein Nebeneffekt.
Die Erreichung eines bestimmten Schuldenstandes kann nie das Ziel sinnvoller Politik sein. Er ist nichts weiter, als ein Nebeneffekt staatlichen Handelns. Wenn der Staat Geld für Infrastruktur, für Forschung oder für Soziales ausgeben will, kann er das ohne weiteres tun. In diesem Augenblick wird er sparen. Das heißt, er wird andere Ausgaben reduzieren und eventuell auch seine Steuern erhöhen, wenn er dadurch eine überhitzte Wirtschaft abkühlen und eine Inflation vermeiden will. Er muss jedoch nicht sparen, weil er Geld braucht. Er spart, um zu lenken; nicht, um sich zu bereichern und auch nicht aus Angst vor Verarmung. Zukünftige Generationen leiden nicht unter dem Schuldenstand von heute. Sie können aber sehr stark von heutigen Investitionen des Staates in Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Soziales profitieren.

Die abgegebene Souveränität.
Im Euroraum haben die Staaten die Souveränität über ihre vorherigen staatlichen Währungen abgegeben. Der Euro ist nicht mehr ihre eigene Währung, weil die Staaten selbst den Euro nicht emittieren und seine Regeln nicht bestimmen können. Die Euro-Staaten haben also einen Teil ihrer Freiheit, ihre finanzielle Souveränität, aufgegeben. Italien ist deshalb in einer fundamental anderen Situation als z. B. Japan, das deutlich höhere Schulden hat als Italien. Letztendlich haben aber auch die europäischen Staaten ihr Geld von einer Zentralbank. Hier ist es jetzt die EZB, die Europäische Zentralbank.
Doch die EZB steht den Staaten nicht immer entsprechend ihrem aktuellen Bedarf zur Seite. Für europäische Staaten wie für die EZB gelten die Maastrichtregeln, die den einzelnen Staaten nur einen bestimmten prozentualen Schuldenstand erlauben. Erst dadurch könnten theoretisch europäische Staaten pleitegehen. Und dies funktioniert auch sehr gut als Drohung, wie sich am Beispiel Griechenlands feststellen ließ.
Dies ist jedoch ein Problem der Regeln, nicht der Höhe der jeweiligen Verschuldung eines Landes.

Treibt das Grundeinkommen einen Staat in die Pleite?
In den ersten Wochen meines kaufmännischen Studiums wurde uns die Frage gestellt, was der Zweck (nicht der Sinn) eines Unternehmens sei. Natürlich antworteten wir naiven Erstsemester mit Gewinn machen, immer größere Absatzmärkte, möglichst viel Macht und so weiter. Selbstverständlich war das alles falsch. Der Zweck eines Unternehmens ist der, seinen eigenen Verkaufswert möglichst hochzutreiben.
Heute sehen wir an den erfolgreichsten Unternehmen der Welt, dass deren Verkaufswert kaum noch etwas mit der Produktion von Gütern zu tun hat, noch weniger mit der Anzahl der Beschäftigten und schon gar nicht abhängig ist, von kurzfristigen Gewinnen. Die höchsten Verkaufswerte haben Unternehmen mit Ideen, Erfindungsgeist und hoher Flexibilität in Denken und Handeln.
Je besser die Prognosen für ein Unternehmen sind, desto höher sein Verkaufswert.

Dieses Beispiel kann auch auf Staaten angewandt werden. Auch Staaten besitzen einen „Verkaufswert“. Auch dann, wenn sie niemals verkauft werden können.
Staaten erhalten dabei die besten Prognosen, je besser sie sich auf die Zukunft einstellen. Dazu gehören die Bildung, die innere Dynamik, der Erfindungsgeist und heute vor allem auch, was sie gegen den Klimawandel, gegen das Artensterben und für eine nachhaltige Ökonomie tun. Die Frage, die an den einzelnen Staat gestellt wird, ist die, wie er sein eigenes Überleben in den Krisen der Zukunft sichern will oder ob er sogar ein wichtiger Faktor der Lösung sein wird.

Hier kann das bedingungslose Grundeinkommen sehr viel für die „Wertsteigerung“ des Staates tun, in dem es eingeführt wird. Gerade Deutschland als größter Wirtschaftsfaktor Europas mit hohem Innovationspotenzial wird da kaum Sorgen haben müssen, dass die EZB ihm den Geldhahn zudreht. Es sind nicht die materiellen Werte, die ein Staat hervorbringt, es sind immer stärker die immateriellen Werte, die ihn wertvoll machen. Die Steuern spielen dabei lediglich als Lenkungs-Steuern eine Rolle, um die EU nicht zu gefährden.

Doch auch hier gilt: Europa kann als sich fortlaufend selbst entwickelndes Finanzsystem nicht pleitegehen. Und mit ihm auch nicht Deutschland. Viel eher ist darauf zu achten, dass Deutschland nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht andere europäische Länder gefährdet. Dies kann mit den genannten Lenkungs-Steuern, mit Abgaben und Gebühren jedoch leicht verhindert werden. Wahrscheinlich müssen die Maastrichtverträge überarbeitet werden. Das ist jedoch ein anderes Thema.

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