Wenn bei dem Thema Grundeinkommen bislang die Frage gestellt wurde: „Wer will denn dann noch arbeiten gehen“, so kommen heute bei der Coronakrise plötzlich ganz andere Fragen auf. Die häufigste ist: „Was passiert mit uns, wenn niemand mehr arbeiten gehen kann?“ Andere Menschen machen sich Gedanken über Home-Office, ob sie wirklich jeden Arbeitsweg auf sich nehmen sollten oder ob das Risiko nicht verringert werden könnte, wenn nur noch der eine Teil eines Paares zur Arbeit geht und der andere zu Hause bleibt.
Wir sehen ganz deutlich, dass Flexibilität möglich ist, aber auch Einschränkungen in Kauf genommen werden, wenn es vernünftig erscheint. Krisen zeigen uns, dass wir Menschen nicht von Natur aus auf den Pendel zwischen Pflichterfüllung und Freizeit, oder hastigem Frühstück und Abendprogramm angewiesen sind. Alles vermischt sich. Wir besinnen uns und wenn wir aufpassen, ziehen wir auch die richtigen, menschlichen Schlüsse aus einer solchen Krise.
Blicken wir zuversichtlich in die Zukunft
Wir sehen bereits, dass in dieser Krisenzeit immer mehr Unternehmen bis hin zu großen Konzernen in große Schwierigkeiten geraten. Manche werden Angestellte entlassen müssen, andere Kurzarbeit anordnen und einige – vor allem kleinere Firmen – werden in die Pleite schlittern.
Viele Freiberufler erhalten plötzlich keine Aufträge mehr und manchen Kulturschaffenden wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Ist das Panikmache? Nein, denn es geht nicht allein um diese Coronakrise. Krisen werden sich in Zukunft häufen. Manche von ihnen werden nichts mit einem Virus zu tun haben, wie die Klimakrise oder auch Finanzblasen. Neu ist eine rasant fortschreitende Digitalisierung, die uns vor die Frage stellt, wie viel Arbeit von uns Menschen überhaupt noch geleistet werden muss. Doch wenn wir aus diesen Situationen grundsätzliche Lehren ziehen, können wir noch immer positiv in die Zukunft blicken.
Unser Gesellschaftsvertrag auf dünnem Eis
In Zeiten des Wachstums ist unsere Wirtschaft ein in sich gut funktionierendes System. Alles ist auf Wertschöpfung, Erwerbsarbeit und Konsum optimiert. Eventuelle Gedanken über Sinn und Zweck unseres Tuns sind auf die zwei Stunden nach dem Abendessen verbannt. Selbst die Wochenenden sind durchgestylt und dienen der Selbstoptimierung. Doch kommt eine Krise, wird alles zerbrechlich. Uns beschleicht das Gefühl, als würden wir in schnellem Tempo auf sehr dünnem Eis Pirouetten drehen. Dieses dünne Eis ist ein alter Gesellschaftsvertrag, der unbedingt erneuert und krisenfest gemacht werden muss.
Wir können die Spirale durchbrechen!
Fast die Hälfte aller Deutschen haben kein oder zu wenig Vermögen ansparen können, um eine Krise überstehen zu können. In der Coronakrise werden sehr viele Freiberufler von heute auf morgen Hartz IV beantragen müssen. Wer in Kurzarbeit geschickt wird, oder unbezahlten Urlaub nehmen muss, um die eigenen Kinder zu versorgen, kann sich schnell verschulden.
Neben den persönlichen Schwierigkeiten, Tragödien und Demütigungen, sinkt dazu unweigerlich auch die Kaufkraft, die Produktivität fällt ins Bodenlose und der Konsum wird auf das Nötigste beschränkt. Können wir diese Spirale durchbrechen?
Die Grundlage für Produktivität, gestalterische Kraft und Zusammenhalt!
Ja, wir können es!
Hätten wir bereits ein Bedingungsloses Grundeinkommen, könnte diese Krise schon eine unglaubliche Chance für uns bedeuten! Wir würden die uns zwangsweise auferlegte Freizeit nicht als Bedrohung sehen, sondern als Freiheit. Als die Freiheit, etwas neues zu lernen, unsere Stärken zu finden, uns neu zu orientieren und auch solidarisch andere Menschen zu unterstützen, leichter durch die Krise zu kommen. Noch haben wir kein Bedingungsloses Grundeinkommen. Wir sollten uns bemühen, es vor einer nächsten wirklich großen Krise eingeführt zu haben. Wir dürfen unsere so wertvollen menschlichen Ressourcen nicht weiter verschwenden, indem wir sie lediglich der Erwerbsarbeit und dem Konsum opfern!
Selbstverständlich wird es Menschen geben, die trotz einer Krise viel Geld verdienen. Nun fragen viele, warum sie dann auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen erhalten sollen. Die Antwort dazu ist eine ganz einfache Rechnung. Wer viel verdient, dem würde durch höhere Steuern mehr abgezogen werden. Ähnlich wie bei dem Einkommenssteuerfreibetrag. Und ebenso selbstverständlich ist es, dass diese reichen Menschen auch auf diesen Handel eingehen würden. Denn auch oder besonders sie hätten durch einen Einbruch im Konsum, in der Produktivität und in der Wertschöpfung zu leiden. Und kaum einem reichen Menschen wird an einer weiteren Spaltung der Gesellschaft gelegen sein, wenn diese Trennung auch ihn trifft.
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eben kein „Geld fürs Nichtstun“, sondern die Grundlage für Produktivität, Kreativität und Zusammenhalt. Was könnte wichtiger sein in einer Zeit, wo sich die Ereignisse täglich überschlagen? Und welche Idee könnte gerade jetzt wichtiger sein, wenn wir diese Krise als Vorbereitung für kommende Zwangslagen nehmen können?
Verlässlichkeit statt Notfallprogramm!
In wirtschaftlich blühenden Zeiten würden Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Bedingungslose Grundeinkommen indirekt über höhere Steuern mitfinanzieren. Wenn sie aber Verluste machen, weniger Steuern zahlen und Arbeitslosigkeit droht, springt schon heute über unterschiedliche Kanäle der Staat ein. Dies wäre bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen nicht anders. Es würden jedoch Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit hinzukommen, wobei ein großer Teil Bürokratie verschwände. Komplexe Notfallprogramme müssten nicht mehr auf unsicheren Füßen stehen.
Grundeinkommen statt Angst vor Krisen!
Wir dürfen aber nicht annehmen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen von einem Tag zum anderen eingeführt werden könnte. Das wäre wirklich naiv. Aber schon diese Coronakrise bietet und die große Möglichkeit, es einfach einmal auszuprobieren. Wo ist die Gefahr? Es wäre vorübergehend aber die Chance, um Erfahrungen, Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis zu sammeln. Schon wären wir bestens vorbereitet gegenüber allen Widrigkeiten, die noch folgen mögen.
In den kommenden Wochen werden wir alle neue Formen des Zusammenlebens ausprobieren müssen. Wir werden unsere sozialen Fähigkeiten wieder kennenlernen und ich glaube wirklich, dass wir alle sehr viel mehr Erkenntnisse über uns selbst erlangen werden. Home-Office, kürzere Arbeitszeiten, familienfreundliche Arbeitsmodelle, ein verantwortungsvoller Umgang mit unseren Mitmenschen sowie eine allgemeine Entschleunigung können sich genau so positiv auf uns auswirken, wie sie bereits der Ökologie eine Erholung geben.
Also: Habt keine Angst vor dieser und kommenden Krisen. Aber nutzt die Chancen, die sie euch bieten!
Dieser Artikel erschien bereits im Online-Magazin „Lebe-Liebe-Lache.com“
Herzlich
Uwe Bjorck